WESTWERK.

Westwerk-Verstärker

WESTWERK.

Admiralitätstr. 74

20459 Hamburg

Eröffnung | Donnerstag | 11. Juli 2019 | 19 Uhr

Ausstellung | Schaufenster in die Produktion

12. Juli bis 11. August 2019 | täglich 9 bis 18 Uhr

Begehungen, Führungen und Verkauf nach Vereinbarung

Wir sollen Künstlerinnen und Künstler sein,
die als Unternehmerinnen oder Unter-
nehmer handeln, und was wir haben, sind Unter-
nehmen, die als Künstler erscheinen wollen. Gehen wir
einfach einmal davon aus, dass es die Kunst tatsächlich nicht gibt. Befreit hiervon werden wir gewisser­maßen wieder zu Souveränen über unsere Handlung. Und in dem Bewusstsein davon befreien wir uns zugleich von der Macht beziehungs­weise unseren Vorstellungen von ihr.

Kunst wird in einer Sphäre gehandelt, in der ihre Wahrheit umgehend widerlegt wird, der Sphäre mit den Mitteln der Wertschöpfung am Markt – entsprechend zunehmend prekär sind die Produktionsbedingungen. Und die Künstlerinnen und Künstler als die Produzierenden? Erzeugerinnen und Erzeuger des Überlebensgroßen oder der Fiktionen und Symbole?
Der Kritik? Was antworten sie?

Sehen wir den letzten größeren Versuch einer Künstler­kritik, Stand 2019, an: Die geplante Obsoleszenz eines Street-Art-Objekts als Kritik an den Mechanismen des Kunstmarkts, die Beteiligung mittels Selbstermächtigung an der Biennale Venedig. Das Sicheinlassen auf die herrschenden Verhältnisse fällt hier zusammen mit der Kritik an den herrschenden Verhältnissen – und kann damit durchaus als reaktionär bezeichnet werden. Was Banksys Intentionen sind, ist tatsächlich nicht zu bestimmen, die Wirkung der Aktionen dagegen ist, unabhängig davon eindeutig in der Sphäre der Wertschöpfung auszumachen. Wenn hier die Macht mit dem Selbst zusammenfällt, es die Macht also nicht gibt, da sie nur ein Simulationsraum ist wie der perspektivische Raum in der Renaissance-Malerei, so lässt sich daraus schließen, dass es in dieser Wirklichkeit einen Zugang zu diesem Markt gibt – den, der über die Manipulation der öffentlichen Meinung führt.

Der Begründer des Neoliberalismus, Walter Lippmann, be­schreibt im Jahr 1922 in seinem Werk »Öffentliche Meinung«, was sich auch auf die Erscheinungen im Markt der Kultur­industrie anwenden lässt, diesem Ort, an dem hauptsächlich ein erschöpftes Lumpenproletariat um Wahrnehmung und mediale Aufmerksamkeit ringt.

SABLAGE wird, unter anderem auf der Lektüre von »Öffentliche Meinung« aufbauend, vom 11. bis zum 28. Juli seinen Gründungsparkour durchlaufen – SABLAGE wird zu einer Unternehmung. Die Gründung eines Unternehmens – ein »elender Versuch« die Sache mit dem Lumpenproletariat auf die Füße zu stellen. Künstlerkritik? Die Kunst ist längst in eine Ex-post-facto-Beziehung zur gesellschaftlichen Wirklich­keit geraten – Avantgarde? War einmal, wenn überhaupt jemals.

Was also tun? Aus Walter Lippmanns Vergleich von Sozialwissenschaftler und Unternehmer lässt sich für die Sphäre der Künstlerinnen und Künstler Folgendes ableiten:

Arbeiten im Dilemma von Gedanken und Handlung. Künstlerinnen und Künstler sind ständig in ein Dilemma verwickelt. Bleiben sie in ihrer Werkstatt, wo sie die Ruhe zum Nachdenken haben, dann müssen sie dem außerordentlich zufälligen und mageren Bericht trauen, der durch die Medien zu ihnen gelangt.

Gehen sie in die Welt hinaus, wo sich die Dinge zutragen, müssen sie eine lange oft vergeudete Lehrzeit hinter sich bringen, bevor sie an das Heiligtum, wo die Entscheidungen getroffen werden, herangelassen werden. Sie können nicht in die Handlung (der Wertschöpfung) hinein und nach Bedarf

wieder daraus emportauchen, gleich­gültig wann es ihnen beliebt. Es gibt dort keine privilegierten Zuhörerinnen und

Zuhörer. Die Unternehmerinnen oder Unternehmer, die beobachten, dass die Künstlerinnen und Künstler bloß von außen kennen, was sie selbst zumindest teilweise von innen kennen, und bemerken, dass die Hypothesen der Künstle­rinnen und Künstler, die jene ja als ihr Werk betrachten, nicht zu den labormäßig überprüfbaren Dingen gehören, und ihre Verifizierung (in diesem Fall ist es die durch die Wertschöpfung) nur in der »wirklichen« Welt möglich ist, haben diesbezüglich eine ziemlich geringe Meinung von
den Künstlerinnen und Künstlern gefasst, die nicht ihre Ansichten zur öffentlichen Politik teilen. Im Innersten
ihres Herzens teilen die Künstlerinnen und Künstler diese Bewertung ihrer selbst. Sie besitzen wenig innere Sicherheit durch ihre Tätigkeit. Sie glauben nur halb daran, und weil nichts sicher ist, finden sie keinen zwingenden Grund, auf einer eigenen Gedankenfreiheit zu bestehen.

Was daraus folgt, ist wiederum eine »miese Kopie«
des neoliberalen Propagandakonzepts.

Künstlerinnen und Künstler müssen keine unter­nehmerischen Konzepte lernen, um als Künstlerinnen und Künstler zu überleben; sie müssen Unternehmen gründen. Ebenso wenig müssen Unternehmen Künstlerkritik praktizieren, um Unternehmen zu bleiben. Auch sind die Zeiten der Entrepreneure, die unendlich die Ressourcen unternehmerischen Handelns anzapfen können, um als Künstlerinnen und Künstler zu agieren, passé. Mit dem scheinbar unerschöpflichen Anpassungsvermögen des kapitalistischen Handelns sind diese Positionen längst in andere Hände übergegangen.

Aufgepasst! Dies ist eine Befreiung – denn auch die Frage nach den Töpfen stellt sich dann nicht mehr, wenn die Künstlerinnen und Künstler lernen, dass es glorreich ist, sich zu bereichern.

Die Ausstellung beginnt mit der Gründung einer Unter­nehmung, der Sablage UG & Co. KG, in der die eigene Pro­duktion gezielt der Wertschöpfung dient. Diese Gründung zu vollziehen und die Produktion zu starten, ist, was wir in den Wochen vom 11. bis 28. Juli 2019 tun werden. Wir wissen, was auf uns zukommt, daher wären wir über das gelegentliche Erscheinen des Erschöpfungschors mehr als beglückt. Ebenso wollen wir gern auf die Worte anderer hören. Unsere politische Abteilung freut sich darauf, zur gemeinsamen Lektüre zum Sinn unserer Unternehmung herauszufordern.

Termine hierzu werden hier und auf den einschlägigen Kanälen bekanntgegeben. Um unsere Ohren bis dahin nicht ganz taub werden zu lassen, wird ab Montag, 15. Juli, der Lärm der täglichen Produktion durch die für diesen Anlass gefertigte Pianoharfe, in Klang und Synthese umgeformt,
in der Bar zur Entspannung ausgegeben. Anlässlich der Gründung der Sablage UG & Co. KG lassen wir es uns auch nicht nehmen, entsprechend ange­messen zu zitieren:

»Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?
Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Einstellung eines Mannes?«

Bertolt Brecht, Die Dreigroschenoper (Druckfassung 1931)

Werkschau

Freitag | 9. August 2019

ab 20 Uhr