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Seit Jahrzehnten ist Jérôme Noetinger ein Prüfstein
der internationalen experimentellen Musik. Jetzt präsentiert er seine monolithische (und erste) Solo-Vinyl-Veröffentlichung, »Sur quelques mondes étranges«, erschienen auf Felix Kubins Gagarin Records, produziert im Electric Avenue Studio im Westwerk. Noetinger
ist vielen bekannt für das audiovisuelle Trio Cellule d’Intervention Metamkine, neben unzähligen Auf-nahmen und Live-Kollaborationen, Kompositionen für Radio und Bühne und atemberaubenden Mehrkanal-Veröffentlichungen in der akusmatischen Tradition.
Bereits 1987 entdeckte Jérôme Noetinger die Band-maschine ReVox B77 als sein Werkzeug für elektro-akustische Live-Musik und erforschte sein Instrument über 35 Jahre lang hartnäckig, was ihn als einen wichtigen zeitgenössischen Komponisten/Performer dieses Mediums etablierte. Seine Arbeit ist radikal und fragend, er verwendet eine panhistorische Reihe analoger Geräte, um Klangwelten zu konstruieren,
die digitales Monochrom umgehen und in einer Galaxie aus schwelenden Fehlfunktionen, dynamischer Körper-lichkeit und rhythmischen Trümmern landen. Hinzu kommt ein enzyklopädisches Wissen über vielfältige Klangtraditionen; geeint durch eine stramme Disziplin, beeindruckende Hingabe und eine glatte Absage an
leere Trends.
Ein ominöser Zweifel schwebt über dem Phänomen Noetinger; dennoch fühlt sich sein Klang vor allem packend an und präsentiert Lösungen, die wie ekstatische Entdeckungen elektrisieren. Die darin enthaltenen Orchestrierungen der Wahrnehmung – vom Abwerfen unserer Ohren direkt gegen den Körper der Bandmaschine bis zum Schleudern in einen höhlenartigen Raum, der mit dem klanglich Fremden lebendig wird – ist sowohl wahnsinnig als auch beruhigend. Noetinger ist sich nur allzu bewusst, dass die Dinge schlecht sind, aber sein Entdeckungsdrang und sein freudiger Glaube an die Musik funkeln irgendwie brillant durch die zeitgenössische Düsternis.
Akribisch aufgenommen und produziert mit Tobias Levin präsentiert das Album zur Tour, »Sur quelques mondes étranges«, ein detailliertes und reichhaltiges Vokabular, das sowohl real als auch unwirklich ist: Geste und Wiederholung, Struktur und Zusammen-bruch, vertraut und unheimlich, alle tanzen mit jedem in der pumpendsten Diskothek Concrète dieses Universums. Dies ist eine kraftvolle und anspruchs-volle Aussage eines eleganten Komponisten und außergewöhnlichen Musikers, der sein Leben demütig seiner Praxis gewidmet hat.
Antonius Pateras
Fotos: Yannick Siegel