WESTWERK.
Admiralitätstr. 74
20459 Hamburg
Alle Räumlich-
keiten Westwerks sind barrierefrei
zu erreichen.
Westwerk wird freundlich unter-
stützt von der Behörde für
Kultur und Medien Hamburg.
Westwerk ist
Mitglied im
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Wir befinden
uns im Jahre
2020 n. Chr. Ganz Fleetinsel ist wegen Kontaktverbots verwaist ... Ganz Fleetinsel? Nein!
Ein von unbeugsamen Künstlern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem einsamen Spaziergänger zwi-
schen Alster und Elbe Kunst in den Weg zu legen …
Seit März musste sich
Westwerk wie alle Kunstorte
der Stadt den aktuellen Corona-Regeln fügen und seinen regulären Ausstellungsbetrieb einstellen. Dennoch wurde unermüdlich der Krise getrotzt und im temporär im Hallentor eingebauten Schaufenster weiter Kunst gezeigt. Analog und garantiert virenfrei startete das Westwerk die Reihe CoronaVision mit
Werken von Künstler*innen
aus dem eigenen Haus. Von
Malerei über Fotografie bis
zu Objektkunst sah man bisher bereits Arbeiten von Jan Ratschat, Albrecht Hausotter, Matthew Partridge, Claudia Mächler, Olivia von Pock, Chris Zander,
Bertolt Hering und Sabine Siegfried. Werke, die
zum Segeln durch die Krise einluden (Jan Ratschat), das Schauen selbst zum
Thema machten (Matthew
Partridge) oder durch die
Untiefen der Krise stiefelten (Olivia von Pock). Die sich aber auch mit den Einschränkungen vermeintlich alltäglicher Normalitäten (Sabine Siegfried) und mit deren Veränderungen und buchstäblichen Maskie-rungen (Chris Zander) beschäftigten. Oder die Kunstliebenden wurden
gleich auf die Suche nach
Kunst und Künstler quer
über die Fleetinsel geschickt (Bertolt Hering).
Im einwöchigen Wechsel und bis zur Wieder-aufnahme des normalen Ausstellungsbetriebs laden noch weitere Positionen von Jan Ratschat, Kerstin Behrendt und Maria Fisahn vor’s Westwerk: die Kunst im Schaufenster und die
Betrachter*innen draußen
an der frischen Luft, fern
jeglicher Aerosolgefahren. Bis Anfang Juli gilt also
weiterhin: CoronaVision – zum Vorbeischlendern auf
der Flucht vor’m heimischen Krisenherd, als Alter-native zum mittäglichen Spaziergang durch die Hamburger Stahl- und Betonwüsten der Inner City;
als Ausflugsziel für Wohnungshysteriker. Frische Luft dazu gratis.
(Stand: 10. Juni 2020)
Wer am längsten Tag des Jahres in die Verlängerung des Lichts eintauchen möchte, komme in der Nacht zwischen 22:30 und 24:00 Uhr in die Admira-litätstraße 74. Wir freuen uns über euren Besuch
im Lichtstrahl zur Mitter-nachtsdämmerung.
»Emma IV«, 2020, Öl auf Leinwand, 150×130 cm
Der Mensch ist ihr zentrales Thema; und dass
die Malerei ein Eigenleben entwickelt, auf das
sie reagieren kann. Mit Acryl- und Ölfarben, pastosen Farbaufträgen und lasierenden Flächen. Wichtig sind Störungen, sowohl in der Technik als auch in der Wahrnehmung ihrer Bilder.
Claudia Mächler ist Teilnehmerin und Mit-initiatorin der für September 2020 geplanten Gruppenausstellung »Erinnerung hat keine Balken«. Die Ausstellung thematisiert die De- und Rekonstruktion unserer Erinnerungen und deren künstlerische Transformation.
Lichterloh! Vor einer gelblich getönten Wand-fläche als lichtem Prospekt befindet sich auf einem Untergestell eine plastische Miniatur-landschaft, aus Fundstücken komponiert und farbig bemalt. Darin zentral eine leuchtend rote, sich ekstatisch aufschwingende anthro-pomorphe Figur, auf deren hochgestrecktem linken Arm etwas hellrosafarbenes Amorphes. Die Umgebung dunkel, bizarr zerklüftet,
spitz splittrig; wie ein verbranntes und verkohltes Trümmerfeld. Daraus ragt ein filigraner anthrazitfarbener Metallring, den Entflammten umkreisend. Links vorn eine helle elfenhafte Neben- und Begleitfigur, sitzend in einem purpurnen Blütenkelch.
Welche Assoziationen weckt diese merk-würdige Szenerie? Wie kann die Hauptfigur gedeutet werden? suf, arabisch für Wolle, gibt den frühen und noch heutigen islamischen Mystikern ihren Namen: Sufis sind »Männer im Wollkleid«. Die rote Gestalt ein tanzender Derwisch in Trance? Oder ein dionysisch Trunkener im Zyklus der steten Wiederkehr? Ein Phönix aus der Asche, sich im Feuer verjüngend? Ein ins Leben Zurückkehrender, ein Auferstehender? …
»Red Coat«, 2018, C-print, 123×164 cm
In dem seltsamen, verstörenden Zeitfenster der C-Pandemie sind auf einmal viele Orte, Freund-schaften, Tätigkeiten, Genüsse, Erfahrungen
und Abenteuer nicht mehr zugänglich; sind
nur Wünsche oder Lacunae. Ich träume schon vielfach »Corona«. Hierzu fiel mir dieses Bild
aus der Londoner National Portrait Gallery ein, als Museumsbesuche selbstverständlich waren. Ich fotografiere gern in Museen, angetan von Korrespondenzen zwischen der Kunst, den Räumen und den Besucher*innen. Hier schaut die Dame in Rot auf ein Bild einer Frau, die selbst auf das Bild einer Frau schaut. Mehr können wir hier vor der leeren Halle Westwerks auch nicht tun, außer durch ein Schaufenster
auf eine entrückte Szene hinter Glas zu schauen. Jeder hält Distanz, und wünscht sich Nähe.
Gast: Swen Kählert
»Ich bitt’ um Ihre Hand«, 2016, Acryl auf Kunststoff-Mannequin-Hand, 19×10×10 cm
Als Begleitung zu dieser Arbeit habe ich einen befreundeten Künstler eingeladen, Swen Kählert, dessen plastische Arbeit einen leicht erkennbaren Bezug zum Bild und zur gegen-wärtigen Situation bietet.
Matthew Partridge (* 1955 in London) ist Westwerk-Mitglied seit 1985. »Eigentlich bin ich kein Fotograf: Nur in und mit Fotos beobachte ich, zeichne auf, sammle, hinterfrage, ordne, konfiguriere und versuche zu verstehen.
Ich lese meine Bilder an sehr unterschiedlichen Orten auf, in Städten, auf dem Land, an indus-triellen und urbanen Nicht-Orten, dort wo ich gehe, wo mir etwas ins Auge fällt.« Neben seiner Tätigkeit in, um und mit Fotografie arbeitet er auch als Autor und Übersetzer und spielt Schlagzeug in zwei Musikprojekten.
»Untief«, 2019/2020, Mixed Media
Die Arbeiten von Olivia von Pock loten den Zweifel aus und stellen die Fähigkeit zu sehen auf die Probe. Schon wenige Zentimeter unterhalb des Alltäglichen beginnt bei ihr die lichtlose, lebensfeindliche Zone, die sonst der Tiefe vor-behalten ist. Auf der Suche nach dem Ursprung der Bilder, den Fakten unseres So-Seins, ver-wirbelt sie vermeintlich vertraute Eindrücke ins nahezu Rausch- oder Bruchstückhafte; lässt den Betrachter in allgemein für sicher erklärten Arealen des Banalen, Profanen, Gewöhnlichen auflaufen.
Von Pock stellt in ihren »paradoxic perspectives« die Frage nach den Zielen der Primärproduktion der Künstlerin, aus einer fragilen Position des Ungefähren, gewissermaßen im landfernen Bereich. Es sind lichtdurchlässige Flüssigseifen, in die von Pock Farbe schleudert und deren langsames Erstarren sie beobachtet, ohne aktiv
in den Prozess einzugreifen. Ihre gefärbten Seifenhäute, in denen Farbe einen sehr ursprüng-lichen, gewundenen Verlauf aufweist, sehen sehr alt und zugleich sehr zukünftig aus, als kämen sie aus einer noch unerforschten, zeitgedehnteren Welt oder einem Fantasy-Land.
Aquarius Bondzin mit Lorna Fischbein,
so ungefähr im Jahre des Herrn 1819
»Zitatöffnungsorgie«, 2020; Coronablues, Zitat-fälschung, Desktop Publishing, Stock Graphics, Digitaldruck auf Doppel-A0
Bevor ein Zitat zum Zitat wird, hat’s irgend-jemand zuerst gesagt. Wenn es was Bedeutungs-volles war, lässt es sich trefflich zu passenden Gelegenheiten zitieren, um auch dem aktuellen Anliegen mehr Bedeutung zu verleihen. Mit
einer »Virenkrise« zu tun hatte jedoch weder
die Do-it-yourself-Bedrohung der Menschheit durch Atomwaffen, vor der sie sich durch einen einfachen Trick und einen noch einfacheren Slogan schützen wollte, noch der rhetorische Stoßseufzer Kaiser Augustus’ gegenüber seinem Feldherrn Varus, der sich im Teutoburger Wald längst zwischen seinen 20.000 toten Legionären ins eigene Schwert gestürzt hatte. Um Corona eine Vision entgegenzusetzen, mussten die
Zitate also mutieren. Zander versucht mit seiner »Zitatöffnungsorgie« angemessene Überlegungen und Reaktionen, gar eine Position in der Krise zu evozieren – nicht nur aus Sicht des Künstlerhauses Westwerk, sondern auch auf Sicht desselben. Folgerichtig erfuhr die Bildmarke Westwerks eine coronafizierte Interimsform: Hinter »gebotenem Distancing« entdecken wir bereits eine laufende To-do-Liste. Form follows function.
Chris Zander ist Gründungsmitglied Westwerks und steht seither dem Gebrauchskunstflügel vor. Er findet den Begriff »Marketing« viel unanstän-diger als »Propaganda«, wobei er letztere eher etymologisch konnotiert und bemüht ist, deren viralen Charakter zu höherer Durchseuchung
der Gesellschaft mit – Achtung, Originalzitat! –
Wahrem, Gutem, Schönem einzusetzen; unter Inkaufnahme der Bildung von Antikörpern gegen Waren, Güter und Schönrednerei.
Bin malen
Work in progress, 2020, Öl auf Leinwand,
120×135 cm
Raus aus der Isolation und wieder rein. In einer Work-in-Progress-Installation im Rahmen von CoronaVision verlassen das Bild und der Maler zur Abenddämmerung das Schaufenster und kommen zurück, wenn es wieder dunkel wird.
In dieser Zeit verrät ein Schild »Bin malen«, ein Pfeil und eine Ortsangabe, wo der Maler und das Bild in Arbeit zu finden sind. Somit die erste CoronaVision, die sich während ihrer Laufzeit verändert und die Zeitfenster bietet, dieser Veränderung sogar zuzusehen …
The Gap
Sabine Siegfried fotografiert seit Jahren Orte,
die sich jeder Bestimmung entziehen, die aus
der Zeit herausgefallen zu sein scheinen. Es gibt keine Definition dessen, was sie waren, oder irgendeine Bestimmung, was diese Orte einmal sein sollen. Keine Vergangenheit, keine Möglich-keit – die Lücke, der Zwischenraum, offen für alles und nichts, und damit Freiräume. Sabine Siegfried meint, es sei vermessen zu glauben, dass wir uns im öffentlichen Raum frei bewegen können. Alles ist reglementiert; wo wir laufen, fahren, uns bewegen können und wo nicht. Reglementiert durch Gesetze, Bestimmungen, Kameras, Ampeln, Schilder, Parks etc. Reglemen-tiert ist auch die Art der Bewegung; motorisiert, Pedalkraft etc. und wie und wo geparkt wird.
Die größtmögliche Freiheit besteht immer noch in den eigenen vier Wänden, oder eben in den Lücken, den Zwischenräumen, die sich außer-halb, beziehungsweise neben der bestehenden Ordnung befinden.
Bunkergold
Schöner Wohnen dank Westwerk: zartgraue Immobilienobjekte in bester Atlantiklage in liebe-volle Hände abzugeben!
Jan Ratschats Bunkerserie begann mit Installa-tionen, die diese Artefakte deutscher Eroberungs-kriegstaktik der Nazizeit zu skurrilen Rückzugs-orten unsichtbarer, wie in der Vergangenheit erstarrter Bewohner werden ließen. Seine eigen-tümlichen Raumensembles verbanden ausran-gierte Möbel, Fundstücke oder Diaprojektionen mit klassischer »Flachware«: Malerei, Aquarellen und Zeichnungen.
In Zeiten von Klima- und Coronakrise erklimmen seine Bunker nun neueste Dimensionen und laden zum Rückzug vor den Unbilden dieser Welt ein: Wohnen im meterdicken Betongemäuer in schönsten Hanglangen. Meerblick inklusive!
Ob in Öl gemalt oder in Stein gegossen: Nirgends lebt sich der Weltenrückzug schöner.
Jan Ratschat studierte Malerei an der Kunst-akademie Düsseldorf, im Anschluss Theater-malerei an der Kunsthochschule Köln.
Zwiespalt
2020, Mischtechnik
Von der Fotografie zur Malerei, vom Porträt zum Menschen. Für ihre Malerei durchforstet Kerstin Behrendt ihr Fotoarchiv und setzt sich erneut mit einem Motiv auseinander, emotional. Anders als hinter der Kamera, wenn sie direkt mit ihrem Gegenüber kommuniziert, kommt es ihr beim Malen auf ihre alleinigen Assoziationen an. Viele Facetten des Menschlichen zwischen expressiv und depressiv, anderen Polaritäten und dem Da-zwischen sind in Kerstins Bildern zu erkennen. Bei der Transformation eines teils weit früher entstandenen Fotos drückt sie beim Malen ihre derzeitige Emotion aus. Manchmal wird nur ein Foto, oft mehrere zu einem Gemälde oder einer Installation kombiniert. Das selbstreferenzielle Arbeiten führt auch für die Künstlerin zu über-raschenden Ergebnissen. Mischtechnik, Farb-auftrag, Wiederholungen und Brechungen in der Pinselführung – »gewollte Zufälle« charakteri-sieren Kerstins Arbeit.
Großer roter Fleck – Status quo ante?
Pigmentmembranen/Klangobjekte
In welcher Umlaufbahn bewegen wir uns? Was passiert, wenn wir aus der Bahn fliegen? Können und wollen wir wieder in die gewohnte Spur?
Tanzende Dattelkerne in vibrierenden Farb-pigmenten auf den Klangmembranen der Künstlerin Maria Fisahn ziehen ihre Kreise, hinterlassen Spuren oder springen über die Ränder der Klangobjekte in den Raum, sobald ihre Kreisbahn gestört ist oder der manuelle Bewegungsimpuls mit einem Schlagstock die Schwingung zu stark anregt.
Ergebnis dieses Zusammenspiels komplexer Farbspuren und Schichten – im Enstehungs-prozess gleichzeitig sichtbar und hörbar – sind farbintensive Malereiobjekte oder Pigment-membranen. Diese erinnern an Planeten oder mikroskopische, biomorphe Muster des menschlichen Körpers oder der Tier- und Pflanzenwelt.
(Mit freundlicher Unterstützung durch den Hilfsfonds der Hamburgischen Kulturstiftung »Kunst kennt kein shutdown«)